Freitag, 31. Dezember 2010

Guten Rutsch mit: Des kleinen Schreibtischs Schlittenfahrt



Der kleine Schreibtisch ist beschwipst,
denn heut' ist doch Silvestern!
Sein Schreibtischbein ist eingegipst,
und das passierte gestern.

Ja, gestern ist er ausgebüxt
aus seinem Wohnschlafzimmer.
Er dachte sich: "Verdammt, verflixt,
warum soll ich denn immer

alleine in der Stube hocken,
ich möchte was erleben!"
Und machte sich schnell auf die Socken,
hinaus ins raue Leben.

Niemand bemerkte seine Flucht,
er war allein zuhause.
Der Schreibtisch ließ nix unversucht,
er macht' die große Sause.

Es purzelte der kleine Tropf,
neugierig und putzmunter,
mit einer Mütze auf dem Kopf,
die steile Stiege runter.

Draußen lagen Eis und Schnee.
Der Schreibtisch guckte lange.
Das Weiß tat in den Augen weh,
und fast wurde ihm bange.

Beim ersten Schritt schon wär beinah'
am Eis er ausgeglitten.
Er blickte um sich, bis er sah:
Dort hinten steht ein Schlitten.

"Oh, ein Gefährt aus Buchenholz!
Da ist der Fall doch klar.
Auf geht die Fahrt, was bin ich stolz!
Den Berg hinunter, wunderbar!"

Er rodelte den Berg hinab.
Dem Schreibtisch wurde mau.
Er sauste rasend schnell bergab.
Dem Schreibtisch wurde flau.

Zu guter Letzt: ein schwerer Sturz.
Das Bein war ab, der Schreibtisch schrie,
und ihm entwich vor Schreck ein Furz,
er schrie noch mehr, und wie!

Bis endlich dann die Hilfe kam,
der Notarzt war zur Stelle.
Der sagte nur: "Nun bist du lahm,
und ich werde dir schnelle

das Bein mit Leim mal wieder kleben,
mit Gips es bandagieren.
Sei froh, du bist ja noch am Leben!
Doch wie ich seh, am Frieren!

Zurück ins Haus mit dir, du Schlingel!"
Der Notarzt schleppt' den Tisch zum Haus
und drückte heftig auf die Klingel.
"Lassen Sie den nicht wieder raus!

Das wird für ihn gefährlich.
Viel besser bleibt er brav zu Haus.
Denn, seien wir mal ehrlich:
Ein Schreibtisch, der gehört nicht raus!"

Für'n Schreibtisch gab's nun Tee mit Rum,
um ihn schnell warm zu machen.
Dazu viel liebes Drumherum
und andre feine Sachen. 

So trinkt er nun seit gestern
abwechselnd Rum mit Tee und Rum,
voll abgefüllt dann an Silvestern,
guckt fröhlich er im Raum herum. 

Zwar ist sein Beinchen eingegipst, 
jedoch: er hat kaum Schmerzen. 
Der kleine Schreibtisch wünscht beschwipst 
aus seinem tiefsten Herzen: 

Ein rundum gutes neues Jahr!
Auf, lasst die Korken knallen!
Auf dass es werde wunderbar,
drauf stoß ich an mit Allen!

Allen Leserinnen und Lesern ein gutes neues Jahr!

Das Copyright für alle meine Gedichte liegt bei mir. Du kannst sie aber gerne privat verwenden.  


Montag, 27. Dezember 2010

Rückblicke - Der Erlebnisaufsatz und ich

In einem meiner früheren Beiträge ist zu lesen: „Ich habe immer schon gern geschrieben“. Das stimmt so nicht ganz. Es entfallen meine ersten sechs Lebensjahre, in denen ich noch gar nicht schreiben konnte. Aber dann...dann konnte ich lesen, dann lernte ich schreiben. Schulzeit. Nein, ich bin nicht immer gerne in die Schule gegangen, das jetzt hier zu behaupten, wäre schlichtweg gelogen. Ich hasste das frühe Aufstehen (damals genauso wie heute), und es gab einiges in der Schule, worauf ich liebend gern verzichtet hätte. Rechnen zum Beispiel. Oder Turnen. Aber es gab auch Fächer, die ich liebte. Eben das Fach, in dem man hauptsächlich las und schrieb. Zwar langweilte ich mich am Anfang manchmal (weil ich schon lesen konnte), aber das gab sich nach ein paar Wochen. Schreiben lernen begeisterte mich dagegen. Hingebungsvoll malte ich Buchstaben und träumte davon, selber Geschichten zu schreiben. Daran war in der ersten Klasse natürlich noch nicht zu denken, aber ich übte, ich übte ganz fleißig. Leider blieb damals meine Fähigkeit, mich auszudrücken, noch weit hinter meiner Phantasie zurück. Also schrieb ich die meisten Geschichten im Kopf. Und eines Tages war es in der Schule soweit: Wir schrieben Aufsätze. 

Der Aufsatz, von vielen meiner MitschülerInnen gefürchtet und verabscheut, wurde von mir innig geliebt. Themen wie „Meine letzten Ferien“ oder „Mein Haustier“ entfachten meine Fantasie und ließen Wörter aus mir heraussprudeln, oft schneller, als ich sie aufschreiben konnte. Der Aufsatz heißt Aufsatz, weil man erst etwas aufsetzen muss, einen Entwurf machen, eine Planung, eine Gliederung. Diese Vorgehensweise übernahm ich notgedrungen, weil meine Lehrerin sonst nicht zufrieden gewesen wäre. Aber immer wieder versuchte ich, diese Anweisung zu umgehen. Denn eigentlich lief es bei mir so ab:

Bekanntgabe des Themas: „Als ich mich einmal richtig gefürchtet habe“

Du meine Güte, einmal? Ich fürchtete mich doch ganz oft! Im Keller, vor Spinnen, wenn ich was angestellt hatte, vor der alten Frau aus dem dritten Stock, die immer so böse schaute, vor der spiegelglatt gebohnerten Treppe, die ich letzte Woche hinuntergefallen war, vor ... Es nahm kein Ende, es gab so vieles, worüber ich schreiben wollte!
Alle anderen in der Klasse saßen da, starrten auf ihr leeres Papier, einige malten sorgfältig die Worte Einleitung, Hauptteil, Schluss auf ihr Blatt. Andere kauten am Bleistift. Ich überlegte mir, dass die meisten über ähnliche Dinge schreiben würden wie ich. Vor dem Keller zum Beispiel hatten viele Angst. Im Keller lagerten Holz und Kohlen, es war dunkel, an der Decke hing eine einsame, funzlige Glühbirne, die nur ein trübes, schwaches Licht verbreitete. Im Keller hausten Spinnen. Fast niemand ging da gern hinunter. Ich wollte aber nicht einfach nur über einen dunklen Keller schreiben. Ich wollte auch nicht nur über eine große Spinne schreiben. Ich wollte eine richtige Geschichte schreiben.

An der Tafel stand das Thema, darunter: Drei Seiten. Drei Seiten! Auf diesem lächerlichen, groß linierten Papier! Ein Witz, was sollte ich mit drei Seiten? Vor mir lag ein Blatt, in der Mitte gefaltet, sodass es vier Seiten mit großen fetten Linien ergab, für die „Reinschrift“ und ein einzelnes, auf dem ich „aufsetzen“ sollte. Das ergab zusammen sechs Seiten. Wenn ich nicht dabei erwischt wurde, dass ich nicht aufsetzte, könnte ich sechs Seiten vollschreiben. Immer noch zu wenig, aber ich schrieb besonders eng. Ich setzte nicht auf, ich schrieb sofort los, und ich schrieb nicht mit Bleistift, sondern gleich mit dem Füller. Eine Reinschrift in 40 Minuten. Ich wusste schon vorher, wie es ausgehen würde, aber ich konnte nicht anders.

Aus dem Thema, meinen Gedanken und Ängsten und den sechs leeren Seiten bastelte ich eine wilde Geschichte. Das Thema änderte ich ab in: „Als ich mich einmal richtig gefürchtet habe und dabei fast gestorben wäre“.

In Kürze: Ich musste in den Keller, für den Ofen Holz holen, im Kellerabteil nebem unserem hörte ich die alte Frau, wie sie mit jemandem sprach, den ich nicht sehen konnte, es war zu finster. Ich packte schnell das Holz in den Korb und rannte wieder hinauf. Vor unserer Wohnungstür stellte ich den Korb ab, die alte Frau keuchte die Treppe herauf, in der Hand hielt sie ein kleines Stoffbündel, in dem etwas zappelte. Ich klingelte, klopfte, niemand machte auf. Die alte Frau lachte mich aus und griff mit ihrer knochigen Hand nach mir. Sie zerrte mich die Treppe hinauf, ein Stockwerk höher, in ihre Wohnung. Dort geschahen fürchterliche Dinge. Ich hatte noch drei leere Seiten, Mist, der Platz wurde schon wieder knapp. Immer hatte ich zu wenig Papier! Und zu wenig Zeit! In dem Zappelbündel war – was sonst – eine große Spinne, eine absolute Riesenspinne, und dann musste ich einen ganz schrecklichen Tee trinken, der bitter schmeckte. Mir wurde schwindlig, die Riesenspinne richtete sich auf ihren Hinterbeinen auf, die alte Frau lachte böse. Eine Seite noch, und die Stimme der Lehrerin: In fünf Minuten ist Schluss! Ich schrieb immer enger, nutzte den Raum zwischen den Zeilen auch noch aus, ich musste unbedingt noch unterbringen, wie die Spinne zur Teetasse krabbelte, und wie die alte Frau dann...und überhaupt, es fehlten noch jede Menge Details, die ich nachträglich einfügen wollte. In der Reinschrift durfte man vergessene Stellen mit * und *) ergänzen, ich war jetzt schon bei ****** und ******). So wenig Platz, so wenig Zeit, ich musste doch unbedingt noch...

ENDE. Neben mir stand meine Lehrerin und streckte die Hand aus. Ich sah sie bittend an, sie schüttelte den Kopf. „Du musst jetzt abgeben!“ Ich schob die Blätter zusammen, murmelte noch „ich bin aber noch nicht fertig“ und gab ab. Über das Ergebnis, die Note, die solche Werke erhielten, und über die schriftliche Bemerkung, die meine Lehrerin verfasste (auf einem Extrablatt, ich hatte ja keinen Platz übrig gelassen), breite ich jetzt mal diskret den Mantel des Schweigens...

Dienstag, 21. Dezember 2010

Drei Tage bis Weihnachten...

Drei Tage noch? Drei Tage nur!
Ich bin schon längst neben der Spur.
Muss noch soviel Päckchen packen
und gar noch einmal Plätzchen backen!

Die ersten sind schon aufgegessen,

ach, was red' ich, weggefressen
hat sie mir die Rasselbande,
welche Schande, welche Schande!

Also nochmal ran ans Blech,

an den Händen klebt wie Pech
Eigelb, Zucker, Mehl und Fett.
Das finde ich so gar nicht nett....

Lieber schnell zum Bäcker laufen

Standardfertigkekse kaufen,
Kipferl, Hörnchen und Makronen,
die den Einkauf halbwegs lohnen.

Dann mal ran an die Geschenke!

Ob ich auch an jeden denke?
Oder doch mal wen vergesse...
Nein! Denn schon aus Interesse,

ob sich der Beschenkte freut,

stricke, bastle, kauf' ich heut'
viele schöne Weihnachtssachen,
die bestimmt viel Freude machen.

Ist dem nicht so, hm, na dann

tauschen wir sie irgendwann
um gleich nach der Stillen Nacht.
Hauptsach', Weihnacht' Freude macht!


Das Copyright für alle meine Gedichte liegt bei mir. Du kannst sie aber gerne privat verwenden.  

Rückblicke – Hurra, sie kann lesen!


Wozu ein Blog, wenn ich nichts reinschreibe? Nun, die letzten Wochen war es einfach Zeitmangel. Um aber den guten Vorsatz, hier täglich zu schreiben, nicht bis auf den allgemeinen Tag der guten Vorsätze, den ersten Januar, zu schieben (und dann den Vorsatz doch nicht zu halten), gönne ich mir jetzt mal eine Pause vom Alltag und schaue ein wenig zurück, zurück in die Jahre, in denen ich lesen und schreiben lernte.


Schon als Kind faszinierte mich die Tatsache, dass schwarze Zeichen auf weißem Papier einen Menschen so fesseln konnten, dass ihm alles andere unwichtig war. Natürlich kannte und hatte ich Bilderbücher. Aber die wurden schnell langweilig, Bilder interessierten mich nicht so sehr. Und das bisschen Text, das konnte ich nach dreimal Vorlesen auswendig. Ich entdeckte in unserer Wohnung Bücher und Zeitungen, mit vielen, vielen schwarzen Zeichen. Diese schwarzen Zeichen erzählten spannende Geschichten, das stellte ich sehr schnell fest. Immer wieder bettelte ich: Was steht denn da, was heißt das, bitte lies es mir vor! Ich war begeistert, dass bedrucktes Papier soviel berichten konnte. In der Zeitung standen täglich schlaue Sachen: Wie das Wetter wird, was man einkaufen konnte, über Menschen, die Fußball spielten, über andere Menschen, die an mir unbekannten Orten irgend etwas machten, ich wollte alles wissen, was in der Zeitung stand. Bücher waren noch besser, darinnen befanden sich Märchen und Geschichten.Nur einen Haken hatte die Sache: Ich brauchte eben einen Vorleser. Geduldige und willige Opfer fand ich in meinem Großvater und meiner Uroma. Andere Familienmitglieder flüchteten oft, wenn ich ein Buch anschleppte...diese beiden Lieben aber lasen geduldig vor. An dieser Stelle: Ein riesengroßes Dankeschön! Leider konnten und wollten sie nicht unbegrenzt vorlesen, was ich als Kind gar nicht verstehen konnte. Es wurde Zeit, dass sich was änderte!

Den Prozess des Lesenlernens rang ich meinem Großvater ab. Mit den ersten erlernten Buchstaben formte ich nach und nach Wörter. Zuerst ganz kurze, Opa schrieb vor und ich fuhr mit dem Finger nach.
Schwere Kämpfe hatten wir mit au, ei, und eu, aber ich gab nicht auf. Andere Hürden tauchten auf, wir nahmen eine nach der anderen. Beständig war ich auf der Suche nach Lesbarem. Die alten Bilderbücher gaben nicht viel her, sie boten einfach viel zuwenig Stoff. Aber es gab Gegenstände im alltäglichen Leben, auf denen Buchstaben waren. Einer davon war die Kondensmilchdose. Und mein erstes langes Wort war: Bärenmarke.

Nachdem ich den Kampf mit den Buchstaben zum ersten Mal in meinem Leben gewonnen hatte, sich die schwarzen Zeichen zu Wörtern, die Wörter zu Sätzen und die Sätze zu einer Geschichte geformt hatten, ging ein Aufatmen durch die gesamte vorlesegeplagte Familie. Sie kann lesen!
Das hielt allerdings nicht lange vor, denn wir hatten nur die Rollen vertauscht. Bisher hieß es: Lies mir was vor, bitte! In dem Fall konnten sie bestimmen, wie lange die Lesestunde dauern sollte.
Aber nun verdrehten sie die Augen, wenn ich daherkam, mit einem Buch oder der Zeitung in der Hand, denn sie mussten stillsitzen und mir zuhören. Ich verstand die Welt nicht mehr. Für mich war es die größte aller Freuden gewesen, wenn mir jemand vorlas, warum nur freuten sie sich nicht auch? Sie brauchten doch nur da zu sein und mir zuzuhören! Diese Phase dauerte aber nur wenige Wochen, zum Glück für alle Beteiligten.

Denn bald entdeckte ich, dass es noch viel spannender war, leise und alleine zu lesen. Es ging auch viel schneller. Mein erstes selbstgelesenes Buch, damals war ich noch nicht ganz 6 Jahre alt, noch nicht in der Schule, hatte schätzungsweise 100 Seiten, Großdruck, und handelte von einem kleinen Mädchen und einem noch kleineren schwarzen Hund. Hoffentlich willst du jetzt nicht auch einen Hund haben, sagte meine Mama, wenn ich mich stundenlang ins Buch verkroch. Nein, ich wollte keinen Hund. Ich wollte mehr Bücher!
Nur diese Familie - der konnte ich einfach nichts recht machen. Sie fingen an, ihre Bücher vor mir zu verstecken. Dafür bist du noch zu klein, war nun die neue Devise. Ich las trotzdem alles, was ich in die Finger bekam. Und ein neuer Wunsch tauchte auf: Ich wollte schreiben.


Montag, 29. November 2010

Der kleine Schreibtisch erzählt – Der Einzug bei Lady Quinsley

Pfffff....also nochmal gaaaaanz langsam, ICH BIN EIN SCHREIBTISCH, deshalb wär's nett, wenn hier mal jemand was schreiben würde! 
(*besserwissermodusan* Das heißt Kommentar! *besserwissermodusaus*)

Aber anscheinend lesen wenigstens ein paar Leute hier mit ... und ich hab auch schon Sternchen unter meiner Geschichte gesehen, das freut mich sehr! Dankeschön! *knickserlmach*

Und deshalb erzähle ich auch weiter:


Der kleine Schreibtisch erzählt – Der Einzug bei Lady Quinsley

Ich hatte mich nicht getäuscht. Die Tür ging auf, und Lady Quinsley trat heraus. Hinter ihr erschien ein Mann mit weißen Haaren, die waren vorne ganz lang und hinten ganz kurz. Er sah sehr merkwürdig aus. Ich musste lachen, als ich ihn zum ersten Mal sah. Er strich sich die weißen Haare aus der Stirn, darunter hatte er graue Augen, eine gebogene Nase und ganz schmale Lippen. Der Mann lachte nicht, er sah aus, als ob er überhaupt nicht lachen konnte. Ich lachte dagegen umso mehr, als der Mann an Lady Quinsley vorbei ging und die Treppe herabstieg. Ich vermutete, er hätte ein Brett verschluckt, so gerade hielt er sich. Er blickte zu mir her, und ich war gleich wieder ganz still, nicht dass er noch dachte, ich würde ihn auslachen. Eine Hand hatte er hinter seinem Rücken versteckt, bei der anderen war ich mir nicht sicher, ob diese Hand ganz in Ordnung war. Die einzelnen Finger waren versteckt in einem weißen Stoff. Handschuhe, ja, ja, ich weiß es inzwischen! Damals wusste ich es eben noch nicht.

Mit einem dieser versteckten Finger deutete er aufgeregt hin und her. Er redete dazu furchtbar schnell. Die beiden Männer vom Ochsenkarren machten „hmm“ und „öh“ und „äh“. Der Weißhaarige redete immer lauter und immer schneller, dabei wurde sein Gesicht furchtbar rot. Dazu wippte er auf und ab, während er immer mehr mit der Hand in der Luft herumfuchtelte. Er sah aus, als würde er gleich umfallen, und ich befürchtete, das verschluckte Brett könnte den Aufprall nicht aushalten. Doch dann ging alles ganz schnell. Der Weißhaarige stolzierte die Treppe wieder hinauf und öffnete die Tür jetzt ganz. Es war eine sehr breite Tür, darüber war ich froh. Ich wollte in das Haus hinein und dabei keine Schrammen abbekommen. Sicher, ich war noch gut eingepackt, aber man wusste ja nie. Die Ochsenkarrenmänner packten mich jeder an einer Seite und hoben mich von der Ladefläche herunter. Dabei verrutschte meine Umhüllung, und ich konnte nichts mehr sehen. Ich bedauerte das ganz außerordentlich. Dennoch beschwerte ich mich nicht und hielt ganz still, während mich die beiden Männer auf dem Weg vor dem Haus abstellten. Neben mir hörte ich das Schnauben der Ochsen, dann ein platschendes Geräusch, so ähnlich wie in der Werkstatt, wenn der Geselle seinen Putzlappen in den Wassereimer warf.

Blind und dumm wie ich war, dachte ich mir nichts dabei, bis mir ein fürchterlicher Gestank in sämtliche Schubladen drang. „Öha“, hörte ich einen der Männer sagen, „auf geht's!“ Sie hoben mich wieder an und trugen mich die Treppe hinauf. Da hörte ich Lady Quinsleys liebliche Stimme, die jetzt gar nicht mehr so lieblich klang. „Den Dreck eurer Ochsen beseitigt ihr, auf der Stelle! Ochsendung vor meinem Haus, das dulde ich nicht!“ Aha. So war das also. Offenbar hatte sich einer der Ochsen auf dem Weg erleichtert, oder sogar beide. Deshalb roch es auch so fürchterlich. Ich war ja so froh, dass ich kein Ochse war und keine solchen Platschdinge machen musste!

Ich wurde durch die Tür getragen, wir bogen um eine scharfe Ecke, das spürte ich, weil ich leicht kippte. Dann ging es eine weitere Treppe hinauf. Oben wieder ein Stück geradeaus, noch um eine Ecke, bis ich abgesetzt wurde. „Ein Stückchen nach links“, hörte ich Lady Quinsley sagen, „nein, nicht so weit, wieder ein wenig nach rechts, genau zwischen die beiden Fenster!“
Die Ochsenkarrenmänner brummten und schoben mich hin und her, bis Lady Quinsley zufrieden war. Dann hörte ich sie mit ihren schweren Stiefeln davon trampeln.
„George!“, sagte Lady Quinsley. „Der Schreibtisch kann dann ausgepackt werden. Und wir wollen die Fenster öffnen, damit der Geruch abziehen kann. Er riecht ja schrecklich. Mary soll ihn gründlich putzen!“ Ich zuckte unter meiner Verpackung zusammen. Ich und schrecklich riechen? Das war nicht ich, was hier so roch! Das war der Geruch vom Ochsenplatsch, der noch in Lady Quinsleys Nase hing, genauso wie in meinen Schubladen! Ich war doch frisch poliert, mit Bienenwachs! Wie gern hätte ich ihr gesagt, dass ich nicht der stinkende Übeltäter war. „Sehr wohl, Mylady, sehr wohl“, antwortete die Stimme des Weißhaarigen. Jetzt sprach er langsamer, sodass ich ihn verstehen konnte. „Neuerwerbungen vom Land riechen oft etwas .... degoutant.“

Es tat mir so leid, dass ich nicht sprechen konnte. Sehen konnte ich auch immer noch nichts. Mein Geruchssinn war noch intakt. Leider, muss ich sagen. Jetzt, wo keine frische Luft und kein Wind mehr um mich herum waren, roch ich es auch. Es roch nicht nur nach Ochsenplatsch, nein, auch die Stoffe, in die ich eingepackt war, rochen nicht wirklich gut. Oh, ich schämte mich. Bestimmt hatte Lady Quinsley ein wunderschönes Zimmer, und darin stand jetzt ich, der kleine Stinker. George und Lady Quinsley besprachen weitere Dinge, die ich nicht richtig verstand, es sollte wohl noch mehr im Zimmer gemacht werden. Ich hörte Worte wie Kandelaber, er sollte geputzt und poliert werden, und Portiere, sie hing schlampig irgendwo herunter und musste neu befestigt werden. Es war auch die Rede von einer Chaiselongue (ich wusste lange Zeit nicht, wie man das schreibt), sie musste dringend neu bezogen werden und auch die Kissen waren nicht im rechten Zustand. Lady Quinsley bemängelte eins nach dem anderen, und George antwortete jedes Mal: „Sehr wohl, Mylady, sehr wohl“.

Ich schämte mich noch mehr, weil ich so dumm war und so viele Dinge nicht kannte. Dann verließen beide das Zimmer, und ich hörte nichts mehr. Nun war ich alleine. Mir war sehr warm in meiner Umhüllung, und der Geruch vom Ochsenplatsch wollte einfach nicht vergehen. Vielleicht war ein Spritzer auf meiner Verpackung gelandet, würde durch die Stoffe dringen, bis an mein poliertes Holz, ich würde immer so stinken, Lady Quinsley würde sehr unzufrieden mit mir sein und mich hinauswerfen lassen. Ich begann zu weinen, weil ich so allein und verlassen war und so schlecht roch und weil ich nichts sehen konnte und gar nichts mehr hörte und überhaupt.... Ich schluchzte leise vor mich hin, bis ich vor Erschöpfung einschlief.

Fortsetzung folgt!


Mittwoch, 24. November 2010

Der Groschenroman

...und weil gerade noch ein paar Minuten Zeit übrig sind, gleich noch'n Gedicht. Im "Groschenroman" geht's, wie der Name schon sagt, um das Schicksal eines Groschenromans. 

Du kaufst für ein paar Groschen
am Bahnhofskiosk nen Roman.
Offen steht dir dann die Gosch'n,
siehst du dir dessen Inhalt an.

Du hast gedacht, s'wär was zum Lesen!
Derweil steht da nur Kitsch zuhauf.
S'ist alles schon mal dagewesen,
das ist des Groschenheftchens Lauf.

Du liest von lodernder Ekstase
und denkst, herrje, was schreibt denn der?
Ergießt in schwülstiger Emphase
sich da der Autor, als wär' er

Herr über alle Dichterheere
ein Meister im geschrieb'nen Wort!
Dabei segelt er über Meere
aus Konvention nur immerfort.

Der Inhalt dich nur sacht berühret -
du orderst dir im Zug Kaffee.
Statt dass Erato dich verführet,
ist das doch alles alter Schnee.

Dergleichen lasest du schon gestern.
Auch hier nur wieder Hülsenworte!
Doch willst du jetzt nicht einfach lästern
wünschst den Roman an and're Orte.

Entsorg ihn gleich, ganz still und leise...
Und geh mit ihm aufs Zug-WC,
spül ihn hinweg bis auf die Gleise
und ruf ihm leise nach: Ade....

Das Copyright für alle meine Gedichte liegt bei mir. Du kannst sie aber gerne privat verwenden.  



Zur Pensionierung - so schwer kann Rentnerleben sein!

Ab und zu streue ich auch mal Gedichte rein, alte und neue, lustige und traurige, nachdenkliche und besinnliche. Als Auftakt eins zum Rentenbeginn, obwohl der ja bei mir noch in weiter Ferne liegt...


Du hast das langersehnte Ziel erreicht
und bist auf Ruhestand geeicht!
Ab morgen schläfst du lange aus,
denn Dich treibt nichts mehr aus dem Haus.

Genießt die Zeit in vollen Zügen,
wenn andre schuften, bleibst Du liegen,
bis Dich um neun der Hunger treibt,
vom Frühstück kaum was übrig bleibt.

Zu Mittag gehst Du in die Küche,
Dich locken herrliche Gerüche!
Was es gekocht, dein liebes Weib,
Dir schmeckt's, ein schöner Zeitvertreib.

Des Nachmittags, so gegen vier,
gelüstet's Dich nach einem Bier.
Da hörst Du die Gemahlin sagen:
Nix da, sonst werd' ich mich beklagen!

Wozu hab' ich gebacken Kuchen,
willst Du denn nicht ein Stück versuchen?
Aus einem Stückchen werden drei,
das ist jetzt auch schon einerlei.

Doch abends muss was Deftiges her,
Dein Bauch ist fast schon wieder leer.
Mit Schinken, Speck und Käsebrot
leidet Dein Magen keine Not.

Und Deine Liebste sagt: Schau, hier
kommt auch Dein Feierabendbier.
Dann noch ein Schnäpschen hinterdrein,
so schön kann Rentnerleben sein!

Du fällst ermattet auf die Couch,
Dein Magen ächzt voll Weh und Autsch.
Da bringt sie Wein, Chips und Salzletten.
Im Stillen denkst Du Dir: Ach, hätten

sie mich nicht einfach pensioniert,
dann wäre mir das nicht passiert!
Ich fühle mich nur noch gemästet,
auf Füllvermögen ausgetestet.

Du siehst den Zeiger an der Waage,
es wird allmählich eine Plage.
So fasst du also einen Plan
und fängst mit Nordic Walking an!

Das Copyright für alle meine Gedichte liegt bei mir. Du kannst sie aber gerne privat verwenden.  

Dienstag, 23. November 2010

Der kleine Schreibtisch erzählt - Meine ersten Lebenstage


Wollt ihr mehr von mir wissen? Ich berichte gerne. Vorab muss ich aber ankündigen, dass ich mich nunmehr des Öfteren meiner eigentlichen Sprache befleißigen werde. Keine Angst, ich schreibe nicht englisch (dort bin ich nämlich gebaut worden), aber ich möchte doch Abstand nehmen von dieser flapsigen Ausdrucksweise, verziert mit ;-))) und LOL und *kopfschüttel*, die sich in den letzten Jahren so sehr verbreitet hat.

Wenn ihr von mir und meinem ereignisreichen Leben lesen wollt, müsst ihr damit vorlieb nehmen, dass ich, zumindest was meine Erinnerungen an meine ersten hundert Lebensjahre betrifft, mich doch etwas gewählter ausdrücken will. Zu diesem Behufe nutze ich auch Wörter, die ihr vielleicht gar nicht mehr kennt. Es fällt mir einfach leichter, wenn ich schreiben kann, wie ich es aus meiner Kindheit gewohnt bin, und verbleibe euch inniglichst verbunden, wenn ihr meine „Memoiren“ trotzdem lest.



Das Licht der Welt erblickte ich an einem Tag im August 1811, genauer gesagt, am achten August. Das war ein Montag. Man beachte: Nächstes Jahr werde ich 200 (in Worten: zweihundert!) Jahre alt - das muss gefeiert werden! Zwar dauerte der eigentliche Prozess meiner Erschaffung über mehrere Wochen (wenn man einmal die Lagerungszeit des Holzes, aus dem ich gemacht bin, nicht mit einrechnet), am Sonnabend, dem 6. August, war ich fast fertig, doch fehlte noch eine letzte Politur. Erst nach dem Wochenende war es dann soweit. Der Geselle in der Schreinerei trug ein fein duftendes Bienenwachs auf meine Oberflächen auf und polierte, polierte, polierte, bis ich rundum in einem warmen Kastanienbraun blitzte und glänzte. Zu guter Letzt schraubte der Geselle Griffe an meine Schubladen, mir dünkte, sie wären aus purem Gold. Später erfuhr ich, dass die Griffe lediglich aus Messing waren, aber meiner damaligen Freude tat das keinen Abbruch.
Jetzt kam der Meister in die Werkstatt. Ich wurde persönlich begutachtet! Der Meister ging um mich herum, prüfte, ob alles richtig und sauber verarbeitet war, ob sich die Schubladen gut herausziehen ließen, ob ich genügend lange poliert worden war. Das war mir sehr recht, ich wollte ja nicht schmierig auf die Welt kommen. Es war alles aufs Beste gelungen, der Meister war sehr zufrieden und lobte den Gesellen.

Mein Geburtstag! Ich war stolz auf mein gutes Aussehen und sehr, sehr neugierig, was mich alles erwarten würde. Schließlich kannte ich nur die staubige Werkstatt, andere halbfertige Möbelstücke um mich herum und ganz viele Bretter. Aber auf Dauer war das langweilig. Nun sollte ich etwas Neues erleben! Der Meister und der Geselle trugen mich hinaus ins Freie, und mir verschlug es den Atem. Alles um mich herum war strahlend hell, es war wunderbar warm, nicht so stickig und heiß wie in der Werkstatt, sondern angenehm, mein Holz nahm die Sonnenstrahlen in sich auf, ich hätte mich am liebsten gedehnt und gestreckt. An der Werkstatt führte eine schmale Straße vorbei. Ich beugte mich ein wenig vor und blickte die Straße hinunter. Vom anderen Ende kam etwas Merkwürdiges auf mich zu, ein Gefährt mit Pferden davorgespannt. Vier schwarze, große Pferde sah ich. Ich erschrak ein wenig, jedoch der Meister legte beruhigend seine Hand auf meine Platte. „Sir Quinsley ist pünktlich!“, sagte er zum Gesellen. „Gehe er hinein und hole die Papiere!“

Der Geselle eilte von dannen, ich war die letzten Minuten mit meinem Meister alleine. Ich schaute wieder die Straße entlang und sah nun ein zweites Gefährt, das hinter dem mit den vier schönen schwarzen Pferden auftauchte. Dieses wurde von zwei Tieren gezogen, allerdings waren diese nicht so schön. Sie sahen fleckig aus, weiß und braun, wie schon lange nicht geputzt und poliert und sie hatten gebogene Hörner. Pferde kannte ich, der Meister besaß ein wunderschönes rotbraunes mit gelblichen langen Haaren am Hals und ebensolchen hintendran. Aber diese zwei fleckigen gehörnten, was sollten die denn sein? Ich würde es gleich erfahren.

Sir Quinsley bringt den Ochsenkarren ja schon mit!“, rief der Meister aufgeregt. „Sicherlich hat er dann auch die vereinbarten drei Pfund Sterling dabei!“
Ich schüttelte verwirrt die Mittelschublade. So viele neue Dinge, so viele neue Wörter! Wie sollte ich das alles lernen, wie sollte ich mich in dieser Welt zurechtfinden? Was war ein Ochsenkarren? Ein Sir? Ein Quinsley? Ein Pfund?
Mir wurde himmelangst. In diesem Augenblick hielt das erste der beiden Gefährte vor der Werkstatt. Der Meister eilte hin und half zwei Menschen aus dem Gefährt.
Welch bezaubernder Anblick, Lady Quinsley!“, sagte er zu einem der beiden Menschen, und half diesem von dem Gefährt herab. „Und die neue Kutsche, wirklich ein außergewöhnlich schönes Stück!“ Er reichte dem Menschen, der ein langes Kleid trug, die Hand, damit dieser über eine Trittstufe herunter steigen konnte. Das Kleid hatte die gleiche Farbe wie der Wein, den der Meister manchmal abends trank und war hinten viel zu lang, es hing im Straßenstaub, aber der Mensch darin beachtete dieses Missgeschick gar nicht. Er kam auf mich zu und blieb dicht vor mir stehen.

Ich schnupperte, dieser Mensch roch einzigartig gut. Noch nie hatte ich etwas so Himmlisches gerochen. Der Meister und der Geselle hingegen hatten nie so gut gerochen. Manchmal sogar etwas unangenehm. Nun, ich verstand es, in der Werkstatt wurde schwer gearbeitet, nicht immer konnte man lüften. Während meiner Herstellungszeit hatte ich mich nie beschwert, ich kannte ja nichts anderes. Aber dieser Duft jetzt – er brachte mich schier um den Verstand. Ich schob ganz unauffällig die beiden oberen Seitenschubladen ein winziges Stückchen vor und schnüffelte, so fest ich konnte, um möglichst viel von diesem herrlichen Duft einzuatmen. Eines stand fest: Der Mensch im langen dunkelroten Kleid konnte kein gewöhnlicher sein!

Sehen Sie nur, Lady Quinsley, er ist genau rechtzeitig fertig geworden! Sind Euer Ladyschaft zufrieden?“,  fragte der Meister den Kleidermenschen, trat gleich darauf einen Schritt zurück und verbeugte sich. Inzwischen war auch der zweite Mensch aus der Kutsche ausgestiegen. Er schlug dem Meister kräftig auf die Schulter. „Meine Frau ist begeistert, das sehen Sie doch!“ Ah, Kleidermenschen hießen also Frau. Ich musste nur gut genug aufpassen, dann würde ich beständig dazulernen. So erging es mir die nächsten Tage, Wochen; Monate, ja mein ganzes Leben. Ich hörte aufmerksam zu und lernte. Lady Quinsley streichelte behutsam über meine linke Schublade (ich hatte sie ganz schnell wieder zugezogen) und berührte sanft den Griff. Und nun sprach sie zum ersten Mal.

Oh Meister John, Sie haben ein wahres Schmuckstück geschaffen!“, sagte sie mit einer Stimme, die genauso war, wie Lady Quinsley roch. Lieblich, zauberhaft, himmlisch. Was für ein Glück ich hatte! Ich erinnerte mich, als letzte Woche ein Schrank bei Meister John fertig geworden war. Zwei ungehobelte, hässliche Männer hatten den Schrank mitgenommen. Ich dagegen...ich hatte Glück! Zu mir kam eine duftende, freundliche Frau!
Lady Quinsley wandte sich dem Mann zu, der mit ihr gekommen war. Immer noch spürte ich ihre Hand an meinem Griff. „David, David!“, rief sie, „ist er nicht prachtvoll?“ Ich nahm an, sie würde mich David nennen, ich war aufgeregt, durcheinander, hingerissen von Lady Quinsleys Stimme und Duft. Später sollte ich erfahren, dass Möbel im Allgemeinen keine Namen haben, erst in der heutigen Zeit werden sie getauft. Viele heißen Billy oder Benno oder ähnlich. Damals glaubte ich eben, David sei mein Name, und ich behielt ihn.

Meister John und Sir Quinsley regelten noch etliche Dinge untereinander. Sie unterzeichneten Papiere (auf meiner Oberfläche, das drückte mich ein wenig), dann wechselte ein Beutel den Besitzer. Der Geselle brachte weiche Wollstoffe, in die ich eingewickelt wurde, und grobes Leinen, das über die weichen Stoffe kam. Sorgfältig verschnürten mich Meister und Geselle. Zwei große, kräftige Männer, die mit dem Ochsenkarren gekommen waren, hoben mich auf die Ladefläche des Gespanns. Ich wurde an den Seitenstreben festgebunden.
Aus einer winzigen Stelle in meiner Umhüllung heraus konnte ich sehen, wie Sir und Lady Quinsley die Kutsche bestiegen. Ich atmete heftig und zappelte ein bisschen, weil ich gerne das Guckloch vergrößern wollte. Ich musste doch möglichst viel mitbekommen! Kutsche und Ochsenkarren fuhren los, erst ein Stück geradeaus, bis ein großer freier Platz kam. Dort wendeten wir und fuhren zurück. Ich bekam Angst. Sollte es bei dieser kurzen Fahrt bleiben? Ich wollte doch bei Lady Quinsley sein! Oder sollte ich vielleicht schon wieder abgeladen werden?

Meine Sorge war unbegründet. Zwar verlor ich die Kutsche aus den Augen, denn sie wurde schneller und schneller. Doch wir fuhren in die gleiche Richtung. Das Ochsengespann war eben viel langsamer. Ich begrüßte diesen Umstand, konnte ich doch auf diese Weise aus meiner Verpackung hinausblinzeln und die Welt um mich herum betrachten.
Ich sah unglaublich vieles! Saftige grüne Wiesen, hohe Bäume, deren Kronen sich im Sommerwind wiegten, Tiere, deren Namen ich alle noch nicht kannte, sogar Tiere hoch oben in der Luft. Ich war überrascht, dass keines davon herunter fiel!
Die Straße war holprig und ich wurde richtig durchgeschüttelt. Auch drang hin und wieder Straßenstaub durch die Stoffe hindurch. Aber ich beschwerte mich nicht, zu aufregend war dieser Tag!

Nach einiger Zeit hielten wir an, der Mann vorne am Gespann sprang herunter, zog eine Flasche aus seiner Jackentasche und trank einen kräftigen Schluck. Er nahm seine Mütze ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „So eine Hitze heute“, stöhnte er. Ja, da hatte er recht. Ich schwitzte auch, war ich doch zusätzlich noch warm eingepackt. Ich hoffte nur, dass ich nicht unangenehm müffeln würde, wenn ich wieder bei Lady Quinsley war. Das wäre mir sehr peinlich gewesen. Der Mann vom Kutschbock ging ein paar Schritte vom Gespann weg und stellte sich, mit dem Rücken zu mir, an einen Baum. Ich wollte lieber nicht wissen, was er da machte. Der andere, der ebenfalls mit dem Ochsenkarren gekommen war, saß neben mir auf der Ladefläche. Er hatte sich an meine Rückseite gelehnt und schnarchte leise. Kurz darauf ging die Fahrt weiter. Allmählich holperte und rumpelte es nicht mehr so schlimm. Auch sah ich immer mehr Häuser und immer mehr andere Gefährte, die unterwegs waren. Die Häuser wurden größer und höher, es waren unglaublich viele Kutschen, Karren und auch Menschen auf der Straße unterwegs. Ich schaute aufgeregt herum, ob ich irgendwo Lady Quinsley und ihre Kutsche mit den vier schwarzen Pferden sah, aber es war zuviel Gedränge und Trubel.

Auch viele kleine Menschen waren unterwegs. Manche wurden von großen Menschen in kleinen Karren herum geschoben, andere klammerten sich an die Hände der großen Menschen oder wurden getragen. Ich vermutete, dass diese auch noch sehr jung waren, so wie ich. Wir mussten bremsen, weil eine Kutsche mit sechs weißen Pferden uns fast gerammt hätte. Es rüttelte und schüttelte mich auf der Ladefläche heftig durch, der Mann neben mir erwachte. Er gähnte, sah sich um und rief: „Mann, wir sind ja schon in London!“

Worin waren wir? Ich verstand wieder einmal nichts. Wohnte hier vielleicht Lady Quinsley? Ich war ja so gespannt! Die Fahrt ging weiter, und kurze Zeit später waren wir am Ziel. Ich spähte noch einmal durch mein Guckloch und entdeckte ein Haus, wie ich auf der ganzen Fahrt noch keines gesehen hatte. Ich sah viele Fenster, Erker, Türmchen, Giebel, es war unglaublich! Das Haus war schneeweiß gestrichen, um die Fenster herum waren Verzierungen in Himmelblau. Vor dem Haus wuchsen viele Blumen in mehr Farben, als ich kannte. Ich konnte mich nicht satt sehen daran. Und vor genau diesem Haus hielten wir an!

Der Mann neben mir rappelte sich auf und sprang vom Ochsenkarren. Er ging eine breite Treppe hinauf, die zur Eingangstür führte, die Tür war mit einem Türklopfer aus dem gleichen Material versehen wie meine Griffe. Und ich wusste, das musste das Haus von Lady Quinsley sein. Hier wohnte sie, und hier würde nun auch ich wohnen.

Fortsetzung folgt!


So ein Blog will gegossen werden

Es genügt nicht, ein kleines Blogpflänzchen einzupflanzen, den Topf in die große weite Onlinewelt zu stellen, es muss auch gepflegt und gegossen werden. Immerhin habe ich einen Anflug von Design hingekriegt, gewissermaßen einen Übertopf, jetzt will ich heute mal ein bisschen gießen, damit alles schön weiter wächst. Nachdem ich heute gelernt habe, was ein Label ist und wozu Blogseiten gut sind, kann ich nun die Gießkanne über die Schreibtischgeschichte halten und dafür sorgen, dass der zweite Teil erscheint.

Der kleine Schreibtisch erzählt

Viele, die am Schreibtisch sitzen,
suchen oft nach Geistesblitzen.
Doch auch die, an dem sie sitzen,
grübeln, denken oder schwitzen.

Nämlich Tische - die zum Schreiben -
können es recht munter treiben!
Fangen selbst an mit dem Schreiben,
lassen es dann nicht mehr bleiben!

So entstand diese Geschicht'
über einen Schreibtischwicht.
Sei's gereimt und als Gedicht
oder Prosa – mit Gewicht!

Die Vorgeschichte

Ein Schreibtisch zieht um, vom Württembergischen ins Bayerische. Nach dem Umzug schreibt er seinen Vorbesitzern diesen Brief:


Ja, da schaut ihr, liebe Geli, lieber Holger, wer euch hier schreibt, was?

Ich bin's nämlich, der kleine Schreibtisch. Nö, stimmt nicht so ganz, eigentlich bin ich ja schon soooo groß, aber jetzt, in dieser neuen Wohnung, komm ich mir ein bisschen klein vor. So viel Platz um mich herum, das bin ich noch nicht gewohnt!
Mann, war das aufregend am letzten Wochenende! Schon die Tage und Wochen vorher hab ich gespürt, irgendetwas in meinem Leben wird sich ändern. Erst waren da diese Leute im Keller, wo ich bisher gewohnt habe, und haben mich angeschaut und betatscht. Die Frau hat immer wieder gerufen: "Oh, ist der schön!" (Die hat MICH gemeint *ganzstolzbin*).
Dann bin ich einige Zeit später ausgemessen worden. Das war auch aufregend! Ihr beide habt dann überlegt, wie schnell ich aus eurem Keller verschwinden kann. Ihr habt schon meinen Nachfolger gekauft! Er heißt "Regal", keine Ahnung, wer das sein soll. Ich war ein bisschen traurig, dass ihr euch so leichten Herzens von mir trennt, aber dann hab ich mir gesagt, was soll's, dort, wo ich jetzt hinkomme, ist es bestimmt schön.

Und dann war der große Tag endlich da! Am Samstag kam der Mann, der mich vor einigen Wochen im Keller mit angeschaut hat, und ich bin ins Freie getragen worden. FRISCHLUFT! Ach, war das herrlich!!! Die Frau war nicht dabei. Aber ich hab's in meinem Innersten gespürt, dass sie auf mich wartet! Dann wurde ich in ein Auto verladen. Gehört mal wieder geputzt, die Kiste, hab ich mir gedacht, als ich mich umgesehen habe. Zeit genug hatte ich ja, wir sind erst am Abend losgefahren. Endlich kam die Abreise. Ich hab noch mit einem Schubladengriff aus dem Fenster winkewinke gemacht, aber ich glaub, ihr habt es nicht gesehen. 
Macht nix. Ich war schrecklich aufgeregt! Wir sind lange Zeit auf einer ganz breiten Straße gefahren. Dann waren wir endlich da. Und ich hab die Frau wieder gesehen! Sie ist ans Auto gekommen, hat mich angelächelt, gestreichelt und gesagt: "Da bist du ja endlich! Ach, bist du schön!" Dann hat sie den Mann geküsst, mich nicht ;- (((

Naja, man kann nicht alles haben. Ich durfte aber noch nicht gleich heraus aus dem Auto, nur meine Schubladen. Ich selbst musste noch eine ganze Nacht und einen ganzen Tag drinbleiben, bis jemand kam, der groß und stark war, und mich die Treppe hinauf getragen hat. Mit dem Mann zusammen. Am Sonntag vormittag machten wir noch einen kleinen Ausflug. Der Mann und die Frau haben mich mit in die Kirche genommen. Fast, hinein durfte ich nicht, ich musste im Auto warten. War aber nicht schlimm.

Am Abend war es endlich soweit, ich wurde die Treppe hinauf geschleppt, und hab endlich mein neues Zimmer gesehen. Schön ist es hier! Heute werden meine Schubladen alle geputzt und poliert, und dann bin ich wieder komplett. Falls es mich mal friert, liegt gleich neben mir auf der Couch eine schöne weiße Decke, die kann ich mir bestimmt schnappen und mich darin einwickeln. Mir gefällt es hier sehr gut. Die Frau kommt immer wieder mal zu mir her, streichelt mich, sagt mir, wie schön ich bin *naseganzhochtrag* und überlegt sich, was sie in welche Schubladen tun soll. Ich möchte euch sagen, dass ich euch zwar ein wenig vermisse, aber trotzdem sehr, sehr froh bin, dass ich jetzt hier leben darf. Bestimmt kommt ihr mich mal besuchen? Darauf freu ich mich schon! Ich wünsch euch noch eine schöne Woche und viel Spaß mit "Regal"!

Euer Schreibtisch

Der kleine Schreibtisch hat seit dem Umzug viele Sachen erlebt, lustige, traurige, spannende, aufregende. Hier wird er immer wieder mal davon erzählen. Wenn euch die Schreibtischgeschichte gefällt, dann würde sich David – so heißt er nämlich – sehr darüber freuen, wenn ihr ihm einen Kommentar hinterlasst!



Aller Anfang ist schwer...

Sprichwörtlich gesagt

Aller Anfang ist schwer! Sprichwörter und Redewendungen, die ich eigentlich gar nicht so sehr mag (gerade mir müssten doch genug eigene Wörter einfallen), treffen's halt oft am besten. Ich will nämlich von A = Wer rastet, der rostet nach ===> B Dem Fleißigen gehört die Welt. Noch kann ich wählen zwischen Morgenstund hat Gold im Mund und Am Abend wird der Faule fleißig ... zwar tendiere ich immer noch stark zu letzterem, aber ich vermute mal, das geht nicht mehr lange gut..

Hier entsteht nun ein (mein!) Blog über meine im November gegründete Textwerkstatt. Genauer gesagt: Hier soll ein Blog entstehen. Die Betonung liegt auf Soll. Ich arbeite mich durch eine Flut von Vorlagen, Schriftarten, Schriftfarben - und lerne nebenbei jede Menge neue Wörter kennen. Gadgets??? Monetisieren??? Dashboard??? Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr, wie war das nochmal? Nee, so schnell lass ich mich nicht abschrecken. Ich denke mir, eine alte Frau ist kein D-Zug! Ich mühe mich also durch die Untiefen und Abgründe der Blogerstellung, denn: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!
Geschafft habe ich immerhin schon einen Anflug von Design. Das wird sich auch noch weiter entwickeln, ja, es MUSS sich weiter entwickeln.

Und irgendwann kapier's sogar ich, wie das hier funktioniert.Es funktioniert jedenfalls nicht mein Plan, für Geschichten und Leseproben eigene Seiten einzusetzen. Ein Blog ist keine Website, das hab ich inzwischen gelernt. Deshalb nehme ich heute den kleinen Schreibtisch aus seiner Extraseite heraus (er ist Umzüge gewohnt) und vergebe stattdessen Labels, damit sollte es klappen. Man kann damit angeblich Posts zusammen suchen. Mal schauen, ob ich das hinkriege! Ein Sprichwort fällt mir dazu nicht ein. Ist auch wahrscheinlich besser so. 

Samstag, 20. November 2010

Herzlich willkommen!

Guten Tag, liebe Leserin, lieber Leser, die ihr hierher gefunden habt!

„Von Worten und Wörtern“ erzählt über meine Erfahrungen in der Welt des Lesens und Schreibens und begleitet mich (und vielleicht auch euch) auf dem Weg von „ich hab schon immer gern geschrieben“ hin zu „jetzt mache ich das Schreiben zum Beruf“. Da gibt es viele, viele Zwischenstationen, Erfolge und Hindernisse, Fortschritte und Rückschläge, über die ich nach und nach berichten werde.
Und natürlich Lese- und  Arbeitsproben, kurze und längere Geschichten, Gedichte und vieles andere mehr.

Zu Beginn: Der kleine Schreibtisch erzählt. Das ist eine Fortsetzungsgeschichte, der erste Teil findet sich oben. Oder wenn man auf das Label Schreibtisch klickt. Oder wenn man sucht. Ach, was weiß denn ich...