Freitag, 31. Dezember 2010

Guten Rutsch mit: Des kleinen Schreibtischs Schlittenfahrt



Der kleine Schreibtisch ist beschwipst,
denn heut' ist doch Silvestern!
Sein Schreibtischbein ist eingegipst,
und das passierte gestern.

Ja, gestern ist er ausgebüxt
aus seinem Wohnschlafzimmer.
Er dachte sich: "Verdammt, verflixt,
warum soll ich denn immer

alleine in der Stube hocken,
ich möchte was erleben!"
Und machte sich schnell auf die Socken,
hinaus ins raue Leben.

Niemand bemerkte seine Flucht,
er war allein zuhause.
Der Schreibtisch ließ nix unversucht,
er macht' die große Sause.

Es purzelte der kleine Tropf,
neugierig und putzmunter,
mit einer Mütze auf dem Kopf,
die steile Stiege runter.

Draußen lagen Eis und Schnee.
Der Schreibtisch guckte lange.
Das Weiß tat in den Augen weh,
und fast wurde ihm bange.

Beim ersten Schritt schon wär beinah'
am Eis er ausgeglitten.
Er blickte um sich, bis er sah:
Dort hinten steht ein Schlitten.

"Oh, ein Gefährt aus Buchenholz!
Da ist der Fall doch klar.
Auf geht die Fahrt, was bin ich stolz!
Den Berg hinunter, wunderbar!"

Er rodelte den Berg hinab.
Dem Schreibtisch wurde mau.
Er sauste rasend schnell bergab.
Dem Schreibtisch wurde flau.

Zu guter Letzt: ein schwerer Sturz.
Das Bein war ab, der Schreibtisch schrie,
und ihm entwich vor Schreck ein Furz,
er schrie noch mehr, und wie!

Bis endlich dann die Hilfe kam,
der Notarzt war zur Stelle.
Der sagte nur: "Nun bist du lahm,
und ich werde dir schnelle

das Bein mit Leim mal wieder kleben,
mit Gips es bandagieren.
Sei froh, du bist ja noch am Leben!
Doch wie ich seh, am Frieren!

Zurück ins Haus mit dir, du Schlingel!"
Der Notarzt schleppt' den Tisch zum Haus
und drückte heftig auf die Klingel.
"Lassen Sie den nicht wieder raus!

Das wird für ihn gefährlich.
Viel besser bleibt er brav zu Haus.
Denn, seien wir mal ehrlich:
Ein Schreibtisch, der gehört nicht raus!"

Für'n Schreibtisch gab's nun Tee mit Rum,
um ihn schnell warm zu machen.
Dazu viel liebes Drumherum
und andre feine Sachen. 

So trinkt er nun seit gestern
abwechselnd Rum mit Tee und Rum,
voll abgefüllt dann an Silvestern,
guckt fröhlich er im Raum herum. 

Zwar ist sein Beinchen eingegipst, 
jedoch: er hat kaum Schmerzen. 
Der kleine Schreibtisch wünscht beschwipst 
aus seinem tiefsten Herzen: 

Ein rundum gutes neues Jahr!
Auf, lasst die Korken knallen!
Auf dass es werde wunderbar,
drauf stoß ich an mit Allen!

Allen Leserinnen und Lesern ein gutes neues Jahr!

Das Copyright für alle meine Gedichte liegt bei mir. Du kannst sie aber gerne privat verwenden.  


Montag, 27. Dezember 2010

Rückblicke - Der Erlebnisaufsatz und ich

In einem meiner früheren Beiträge ist zu lesen: „Ich habe immer schon gern geschrieben“. Das stimmt so nicht ganz. Es entfallen meine ersten sechs Lebensjahre, in denen ich noch gar nicht schreiben konnte. Aber dann...dann konnte ich lesen, dann lernte ich schreiben. Schulzeit. Nein, ich bin nicht immer gerne in die Schule gegangen, das jetzt hier zu behaupten, wäre schlichtweg gelogen. Ich hasste das frühe Aufstehen (damals genauso wie heute), und es gab einiges in der Schule, worauf ich liebend gern verzichtet hätte. Rechnen zum Beispiel. Oder Turnen. Aber es gab auch Fächer, die ich liebte. Eben das Fach, in dem man hauptsächlich las und schrieb. Zwar langweilte ich mich am Anfang manchmal (weil ich schon lesen konnte), aber das gab sich nach ein paar Wochen. Schreiben lernen begeisterte mich dagegen. Hingebungsvoll malte ich Buchstaben und träumte davon, selber Geschichten zu schreiben. Daran war in der ersten Klasse natürlich noch nicht zu denken, aber ich übte, ich übte ganz fleißig. Leider blieb damals meine Fähigkeit, mich auszudrücken, noch weit hinter meiner Phantasie zurück. Also schrieb ich die meisten Geschichten im Kopf. Und eines Tages war es in der Schule soweit: Wir schrieben Aufsätze. 

Der Aufsatz, von vielen meiner MitschülerInnen gefürchtet und verabscheut, wurde von mir innig geliebt. Themen wie „Meine letzten Ferien“ oder „Mein Haustier“ entfachten meine Fantasie und ließen Wörter aus mir heraussprudeln, oft schneller, als ich sie aufschreiben konnte. Der Aufsatz heißt Aufsatz, weil man erst etwas aufsetzen muss, einen Entwurf machen, eine Planung, eine Gliederung. Diese Vorgehensweise übernahm ich notgedrungen, weil meine Lehrerin sonst nicht zufrieden gewesen wäre. Aber immer wieder versuchte ich, diese Anweisung zu umgehen. Denn eigentlich lief es bei mir so ab:

Bekanntgabe des Themas: „Als ich mich einmal richtig gefürchtet habe“

Du meine Güte, einmal? Ich fürchtete mich doch ganz oft! Im Keller, vor Spinnen, wenn ich was angestellt hatte, vor der alten Frau aus dem dritten Stock, die immer so böse schaute, vor der spiegelglatt gebohnerten Treppe, die ich letzte Woche hinuntergefallen war, vor ... Es nahm kein Ende, es gab so vieles, worüber ich schreiben wollte!
Alle anderen in der Klasse saßen da, starrten auf ihr leeres Papier, einige malten sorgfältig die Worte Einleitung, Hauptteil, Schluss auf ihr Blatt. Andere kauten am Bleistift. Ich überlegte mir, dass die meisten über ähnliche Dinge schreiben würden wie ich. Vor dem Keller zum Beispiel hatten viele Angst. Im Keller lagerten Holz und Kohlen, es war dunkel, an der Decke hing eine einsame, funzlige Glühbirne, die nur ein trübes, schwaches Licht verbreitete. Im Keller hausten Spinnen. Fast niemand ging da gern hinunter. Ich wollte aber nicht einfach nur über einen dunklen Keller schreiben. Ich wollte auch nicht nur über eine große Spinne schreiben. Ich wollte eine richtige Geschichte schreiben.

An der Tafel stand das Thema, darunter: Drei Seiten. Drei Seiten! Auf diesem lächerlichen, groß linierten Papier! Ein Witz, was sollte ich mit drei Seiten? Vor mir lag ein Blatt, in der Mitte gefaltet, sodass es vier Seiten mit großen fetten Linien ergab, für die „Reinschrift“ und ein einzelnes, auf dem ich „aufsetzen“ sollte. Das ergab zusammen sechs Seiten. Wenn ich nicht dabei erwischt wurde, dass ich nicht aufsetzte, könnte ich sechs Seiten vollschreiben. Immer noch zu wenig, aber ich schrieb besonders eng. Ich setzte nicht auf, ich schrieb sofort los, und ich schrieb nicht mit Bleistift, sondern gleich mit dem Füller. Eine Reinschrift in 40 Minuten. Ich wusste schon vorher, wie es ausgehen würde, aber ich konnte nicht anders.

Aus dem Thema, meinen Gedanken und Ängsten und den sechs leeren Seiten bastelte ich eine wilde Geschichte. Das Thema änderte ich ab in: „Als ich mich einmal richtig gefürchtet habe und dabei fast gestorben wäre“.

In Kürze: Ich musste in den Keller, für den Ofen Holz holen, im Kellerabteil nebem unserem hörte ich die alte Frau, wie sie mit jemandem sprach, den ich nicht sehen konnte, es war zu finster. Ich packte schnell das Holz in den Korb und rannte wieder hinauf. Vor unserer Wohnungstür stellte ich den Korb ab, die alte Frau keuchte die Treppe herauf, in der Hand hielt sie ein kleines Stoffbündel, in dem etwas zappelte. Ich klingelte, klopfte, niemand machte auf. Die alte Frau lachte mich aus und griff mit ihrer knochigen Hand nach mir. Sie zerrte mich die Treppe hinauf, ein Stockwerk höher, in ihre Wohnung. Dort geschahen fürchterliche Dinge. Ich hatte noch drei leere Seiten, Mist, der Platz wurde schon wieder knapp. Immer hatte ich zu wenig Papier! Und zu wenig Zeit! In dem Zappelbündel war – was sonst – eine große Spinne, eine absolute Riesenspinne, und dann musste ich einen ganz schrecklichen Tee trinken, der bitter schmeckte. Mir wurde schwindlig, die Riesenspinne richtete sich auf ihren Hinterbeinen auf, die alte Frau lachte böse. Eine Seite noch, und die Stimme der Lehrerin: In fünf Minuten ist Schluss! Ich schrieb immer enger, nutzte den Raum zwischen den Zeilen auch noch aus, ich musste unbedingt noch unterbringen, wie die Spinne zur Teetasse krabbelte, und wie die alte Frau dann...und überhaupt, es fehlten noch jede Menge Details, die ich nachträglich einfügen wollte. In der Reinschrift durfte man vergessene Stellen mit * und *) ergänzen, ich war jetzt schon bei ****** und ******). So wenig Platz, so wenig Zeit, ich musste doch unbedingt noch...

ENDE. Neben mir stand meine Lehrerin und streckte die Hand aus. Ich sah sie bittend an, sie schüttelte den Kopf. „Du musst jetzt abgeben!“ Ich schob die Blätter zusammen, murmelte noch „ich bin aber noch nicht fertig“ und gab ab. Über das Ergebnis, die Note, die solche Werke erhielten, und über die schriftliche Bemerkung, die meine Lehrerin verfasste (auf einem Extrablatt, ich hatte ja keinen Platz übrig gelassen), breite ich jetzt mal diskret den Mantel des Schweigens...

Dienstag, 21. Dezember 2010

Drei Tage bis Weihnachten...

Drei Tage noch? Drei Tage nur!
Ich bin schon längst neben der Spur.
Muss noch soviel Päckchen packen
und gar noch einmal Plätzchen backen!

Die ersten sind schon aufgegessen,

ach, was red' ich, weggefressen
hat sie mir die Rasselbande,
welche Schande, welche Schande!

Also nochmal ran ans Blech,

an den Händen klebt wie Pech
Eigelb, Zucker, Mehl und Fett.
Das finde ich so gar nicht nett....

Lieber schnell zum Bäcker laufen

Standardfertigkekse kaufen,
Kipferl, Hörnchen und Makronen,
die den Einkauf halbwegs lohnen.

Dann mal ran an die Geschenke!

Ob ich auch an jeden denke?
Oder doch mal wen vergesse...
Nein! Denn schon aus Interesse,

ob sich der Beschenkte freut,

stricke, bastle, kauf' ich heut'
viele schöne Weihnachtssachen,
die bestimmt viel Freude machen.

Ist dem nicht so, hm, na dann

tauschen wir sie irgendwann
um gleich nach der Stillen Nacht.
Hauptsach', Weihnacht' Freude macht!


Das Copyright für alle meine Gedichte liegt bei mir. Du kannst sie aber gerne privat verwenden.  

Rückblicke – Hurra, sie kann lesen!


Wozu ein Blog, wenn ich nichts reinschreibe? Nun, die letzten Wochen war es einfach Zeitmangel. Um aber den guten Vorsatz, hier täglich zu schreiben, nicht bis auf den allgemeinen Tag der guten Vorsätze, den ersten Januar, zu schieben (und dann den Vorsatz doch nicht zu halten), gönne ich mir jetzt mal eine Pause vom Alltag und schaue ein wenig zurück, zurück in die Jahre, in denen ich lesen und schreiben lernte.


Schon als Kind faszinierte mich die Tatsache, dass schwarze Zeichen auf weißem Papier einen Menschen so fesseln konnten, dass ihm alles andere unwichtig war. Natürlich kannte und hatte ich Bilderbücher. Aber die wurden schnell langweilig, Bilder interessierten mich nicht so sehr. Und das bisschen Text, das konnte ich nach dreimal Vorlesen auswendig. Ich entdeckte in unserer Wohnung Bücher und Zeitungen, mit vielen, vielen schwarzen Zeichen. Diese schwarzen Zeichen erzählten spannende Geschichten, das stellte ich sehr schnell fest. Immer wieder bettelte ich: Was steht denn da, was heißt das, bitte lies es mir vor! Ich war begeistert, dass bedrucktes Papier soviel berichten konnte. In der Zeitung standen täglich schlaue Sachen: Wie das Wetter wird, was man einkaufen konnte, über Menschen, die Fußball spielten, über andere Menschen, die an mir unbekannten Orten irgend etwas machten, ich wollte alles wissen, was in der Zeitung stand. Bücher waren noch besser, darinnen befanden sich Märchen und Geschichten.Nur einen Haken hatte die Sache: Ich brauchte eben einen Vorleser. Geduldige und willige Opfer fand ich in meinem Großvater und meiner Uroma. Andere Familienmitglieder flüchteten oft, wenn ich ein Buch anschleppte...diese beiden Lieben aber lasen geduldig vor. An dieser Stelle: Ein riesengroßes Dankeschön! Leider konnten und wollten sie nicht unbegrenzt vorlesen, was ich als Kind gar nicht verstehen konnte. Es wurde Zeit, dass sich was änderte!

Den Prozess des Lesenlernens rang ich meinem Großvater ab. Mit den ersten erlernten Buchstaben formte ich nach und nach Wörter. Zuerst ganz kurze, Opa schrieb vor und ich fuhr mit dem Finger nach.
Schwere Kämpfe hatten wir mit au, ei, und eu, aber ich gab nicht auf. Andere Hürden tauchten auf, wir nahmen eine nach der anderen. Beständig war ich auf der Suche nach Lesbarem. Die alten Bilderbücher gaben nicht viel her, sie boten einfach viel zuwenig Stoff. Aber es gab Gegenstände im alltäglichen Leben, auf denen Buchstaben waren. Einer davon war die Kondensmilchdose. Und mein erstes langes Wort war: Bärenmarke.

Nachdem ich den Kampf mit den Buchstaben zum ersten Mal in meinem Leben gewonnen hatte, sich die schwarzen Zeichen zu Wörtern, die Wörter zu Sätzen und die Sätze zu einer Geschichte geformt hatten, ging ein Aufatmen durch die gesamte vorlesegeplagte Familie. Sie kann lesen!
Das hielt allerdings nicht lange vor, denn wir hatten nur die Rollen vertauscht. Bisher hieß es: Lies mir was vor, bitte! In dem Fall konnten sie bestimmen, wie lange die Lesestunde dauern sollte.
Aber nun verdrehten sie die Augen, wenn ich daherkam, mit einem Buch oder der Zeitung in der Hand, denn sie mussten stillsitzen und mir zuhören. Ich verstand die Welt nicht mehr. Für mich war es die größte aller Freuden gewesen, wenn mir jemand vorlas, warum nur freuten sie sich nicht auch? Sie brauchten doch nur da zu sein und mir zuzuhören! Diese Phase dauerte aber nur wenige Wochen, zum Glück für alle Beteiligten.

Denn bald entdeckte ich, dass es noch viel spannender war, leise und alleine zu lesen. Es ging auch viel schneller. Mein erstes selbstgelesenes Buch, damals war ich noch nicht ganz 6 Jahre alt, noch nicht in der Schule, hatte schätzungsweise 100 Seiten, Großdruck, und handelte von einem kleinen Mädchen und einem noch kleineren schwarzen Hund. Hoffentlich willst du jetzt nicht auch einen Hund haben, sagte meine Mama, wenn ich mich stundenlang ins Buch verkroch. Nein, ich wollte keinen Hund. Ich wollte mehr Bücher!
Nur diese Familie - der konnte ich einfach nichts recht machen. Sie fingen an, ihre Bücher vor mir zu verstecken. Dafür bist du noch zu klein, war nun die neue Devise. Ich las trotzdem alles, was ich in die Finger bekam. Und ein neuer Wunsch tauchte auf: Ich wollte schreiben.